Montag, 11. April 2011

»Was ist ein Orgasmus?«
»Ich weiß es nicht genau. Eine Art Schüttelfrost, obwohl einem ganz heiß dabei wird.«
»Ich könnte im Lexikon nachschauen«, sagt Anna Maria.
»Was ist ein Lexikon?« fragt Nino Pepperoni.

Im Hause Pepperoni wird Familienrat gehalten. »Jawohl. Der ist okay. Der beste Rechtsanwalt der Vereinigten Staaten. Einer, der alles weiß.«
»Er müßte den Nobelpreis kriegen!«
»Mr. Sliwowitz?«
»Jawohl. Mr. Sliwowitz!«
»Gibt es den Nobelpreis auch für Rechtsanwälte?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich könnte ja Mr. Sliwowitz fragen. Der weiß das bestimmt!«

Karl Schnitzel hatte keine Ahnung, was ihn in New York erwartete. Wie hätte ihm auch einfallen sollen, daß die Mafia beabsichtigte, ihn zu kastrieren. Ein solcher Gedanke ist absurd. »Sitzt sich bequem im Cadillac, was?«
»Und wie«, sagte Schnitzel. »Auf einem Sitz aus Tigerfell bin ich noch nie gesessen. Ist das Tigerfell echt?«
»Natürlich ist es echt«, sagte Swifty. »Den Tiger hat Frau Pepperoni erschossen.«
»Frau Pepperoni?«
»Jawohl.«
»Wo?«
»Im Zoologischen Garten. In der Bronx. Es ist unser Sommercadillac.«
»Habt ihr noch andere?«
»Natürlich. Einen grauen für die Herbstzeit, einen weißen für den Winter und einen rosaroten für den Frühling.«
»Allerhand«, sagte Schnitzel.

Er betrachtete auch Schnitzels grinsenden Mund mit den schrägstehenden Goldzähnen und dachte: Na, den werden wir übermorgen kastrieren.

»Mich kann der KGB am Arsch lecken. Ich hole den Mandelbaum aus Rußland heraus, so wahr ich Karl Schnitzel heiße!« Am 10. Juni kam der Eunuch Pedro Rodriguez alias Karl Schnitzel in Moskau an. Er kam ohne Hoden, aber mit einem Plan. Es war heiß geworden und Schnitzel zog sich den Regenmantel aus. »Nußknacker und ähnliches Zeug interessieren mich nicht«, sagte Schnitzel. »Ich gehe lieber ins Kino. Aber leider hab‘ ich dafür keine Zeit. Ich habe andere Sorgen, als in Moskau ins Kino zu gehen.«

»Nur die Astronauten kommen in den Himmel«, sagte der Taxifahrer. »In Sowjetrußland gibt es nichts Trauriges. Hier sind alle Menschen glücklich. Auch die Pflanzen und die Tiere.«
»Schnitzel denkt an alles«, sagte Schnitzel. Schnitzel und Mandelbaum gingen händchenhaltend durch die Dunkelheit.

»Ich schwöre nochmals beim Kopf meiner armen Mutter, daß mein Bericht wahr ist.«
»Lebt ihre Mutter noch?«
»Ja«, sagte Schnitzel.
»Wo?«
»In Wien.«
»Wo in Wien?«
»Im Wiener Irrenhaus.«
»Das macht nichts«, sagte Mr. Sliwowitz. »Eine Mutter ist eine Mutter.«
»Ja«, sagte Karl Schnitzel. »Eine Mutter ist eine Mutter.«

»Wir bogen also nach Norden ab«, sagte Schnitzel, »gingen an den Vorstadtgärten von Kerovsky vorbei, dann wieder über ein Feld, dann einen Feldweg entlang, dann über einige kleine Hügel und schließlich bis zum Wald.«
»Was für ein Wald?
»Ein Wald«, sagte Schnitzel. »Ein Wald ist ein Wald.«
»Na schön«, sagte Mr. Sliwowitz.
»Im Winter kommen die Wölfe bis an die Häuser und fressen die Wände an und lecken die Fensterscheiben vor Hunger. Aber im Sommer ist das was anderes.«
»Was ist im Sommer anders?«
»Im Sommer bleiben die Wölfe im Wald!«
»Ach so«, sagte Mr. Sliwowitz.
»So ist es«, sagte Schnitzel und blinzelte Mr. Sliwowitz schlau an.
»Ich bin kein Geographieprofessor. Aber wie ich sehe, Sie wissen Bescheid.«

»Er war tauber als eine Wand, denn die Wände haben manchmal Ohren. Aber er wollte nicht hören. Und das ist viel schlimmer. Denn mit den Tauben kann man manchmal reden. Aber mit einem, der Ohren hat und nicht hören will, da ist Hopfen und Malz verloren. Da ist nichts zu machen.«

Archibald Seymor Sliwowitz, ein Mann wie alle anderen! Es wäre nicht zu ertragen. »Deine Beine, liebe Anna Maria, müßte man malen, denn zum Fotografieren sind sie zu schade.«

Sergej ist kein Feigling. Er ist ein Künstler. »Dafür ist Schnitzel nicht der richtige Mann. Für so eine Sache brauchen wir einen Spezialisten!«
»Einen Spezialisten?« fragte Nino Pepperoni.
»Ja«, sagte Mr. Sliwowitz. »Einen Flugzeug-Entführungs-Spezialisten!«
»Eine großartige Idee!« sagte Nino Pepperoni.

»Dann müssen wir Kebab kastrieren, so wie wir Karl Schnitzel kastriert haben.«
»Das ist im Falle Kebab nicht nötig.«
»Und warum?«
»Weil Sergej Mandelbaum kein Esel ist!«
»Da haben Sie recht. Daran hatte ich nicht gedacht.«

Schnitzel, dachte Kebab. Ein Mann mit solch einem Namen kann keinen guten Geschmack haben. Aber das wissen deine Karateleute. Natürlich würde man die Stewardessen fesseln und knebeln müssen, aber das ist nicht deine Sache. Das machen die Karateleute. Sie wissen das.

»Die Beschneidung heißt auf hebräisch Brith Mila und ist außerdem hygienisch.« Nino Pepperoni weinte, als das Häutchen seines Enkelkindes so ohne weiteres und ziemlich erbarmungslos abgeschnitten wurde. Er hätte das Häutchen gern mit nach New York genommen, sozusagen als Andenken, aber dann dachte er an Karl Schnitzel und unterdrückte diesen Wunsch.


Edgar Hilsenrath feat. Will Future: Moskauer Orgasmus

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen