Donnerstag, 7. April 2011

Der Tag begann äußerst aufregend für den Jungen. Weil er ganz früh in die Stadt fuhr, wobei, was heißt „ganz früh“, es war Sonntag und da war ja ziemlich lange „ganz früh“, weil er also noch recht früh losfuhr, konnte er sich seit langer Zeit mal wieder den Platz in der Straßenbahn aussuchen. Er setzte sich natürlich direkt hinter den Fahrer, allerdings auf die andere Seite, auf die Beifahrerseite.

Die vielen Knöpfe, Schalter, Leuchten und Uhren verlangten seine volle Aufmerksamkeit und damit er sie alle im Blick behalten konnte, setzte er sich auf Zehenspitzen hin und schaute, dem Fahrer seitlich an der Schulter vorbei, direkt aufs Armaturenbrett. Wie konnte der sich nur merken, wofür jeder einzelne Schalter oder jede einzelne Uhr da war? Seine Mutter bewunderte er genau für die gleiche Übersicht wie sie der Straßenbahnfahrer hier an den Tag legte, seit sie ihn einmal mitgenommen hatte auf ein Konzert, das sie als Tontechnikerin betreut hatte.

Als ihnen eine andere Straßenbahn entgegenkam, grüßte der Straßenbahnfahrer den anderen Straßenbahnfahrer, der ihn daraufhin zurückgrüßte. Der Junge winkte auch ein bißchen und drehte sich nach der Bahn um, die über die Kreuzung fuhr, obwohl die Ampel rot war. Die nächste Haltestelle hieß „Baumarkt“ und das gefiel dem Jungen, obwohl er sich fragte, warum man sonntags an einem Baumarkt halten mußte. Das ist eine gute Werbung für einen Laden, wenn eine Haltestelle so heißt, dachte er, dann kann das jeder finden.

Nach dem Baumarkt kam lange keine Haltestelle. Das ärgerte den Jungen ein bißchen, weil er sich schon so auf die nächste freute, weil sie „Stefan Georg“ hieß. Das ist ja noch besser, als eine Haltestelle, die wie ein Laden heißt, dachte er und er fragte sich, was er tun müßte, um auch eine eigene Haltestelle zu bekommen. Die Ansage plärrte durch die fast leere Straßenbahn: „Nächster Halt: Sankt Georg“. Und tatsächlich, die Bahn hielt vor einer großen Kirche, an der „Sankt Georg“ über der Tür stand. Der Junge schaute verdutzt hinauf zur Anzeige. Da stand immer noch „Stefan Georg“. Also eigentlich stand da „St. Georg“, aber es war ja klar, daß das „Stefan Georg“ heißen sollte und nicht „Sankt Georg“. Auf Stefan Müllers Deutschheft stand schließlich auch „St. Müller“. Das muß den Leuten von der Straßenbahn mal jemand sagen, dachte er sich.

Am Bahnhof tauschte der Straßenbahnfahrer seine Brille gegen eine Sonnenbrille, so eine Bob-Dylan-Sonnenbrille. Er war die Coolheit in Person, der Mann. Das war ja mal klar. Genau so, genau so wollte der Junge mal werden. Das sagte er dem Straßenbahnfahrer dann auch kurz vorm Aussteigen und er fragte ihn, ob er Autogrammkarten habe. Leider noch nicht, hatte der lächelnd geantwortet und der Junge rief dem Straßenbahnfahrer, während er aus der Bahn sprang, zu: „Vielleicht ja beim nächsten Mal!“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen