Mittwoch, 20. April 2011

Montag, 18. April 2011

Montag, 11. April 2011

»Was ist ein Orgasmus?«
»Ich weiß es nicht genau. Eine Art Schüttelfrost, obwohl einem ganz heiß dabei wird.«
»Ich könnte im Lexikon nachschauen«, sagt Anna Maria.
»Was ist ein Lexikon?« fragt Nino Pepperoni.

Im Hause Pepperoni wird Familienrat gehalten. »Jawohl. Der ist okay. Der beste Rechtsanwalt der Vereinigten Staaten. Einer, der alles weiß.«
»Er müßte den Nobelpreis kriegen!«
»Mr. Sliwowitz?«
»Jawohl. Mr. Sliwowitz!«
»Gibt es den Nobelpreis auch für Rechtsanwälte?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich könnte ja Mr. Sliwowitz fragen. Der weiß das bestimmt!«

Karl Schnitzel hatte keine Ahnung, was ihn in New York erwartete. Wie hätte ihm auch einfallen sollen, daß die Mafia beabsichtigte, ihn zu kastrieren. Ein solcher Gedanke ist absurd. »Sitzt sich bequem im Cadillac, was?«
»Und wie«, sagte Schnitzel. »Auf einem Sitz aus Tigerfell bin ich noch nie gesessen. Ist das Tigerfell echt?«
»Natürlich ist es echt«, sagte Swifty. »Den Tiger hat Frau Pepperoni erschossen.«
»Frau Pepperoni?«
»Jawohl.«
»Wo?«
»Im Zoologischen Garten. In der Bronx. Es ist unser Sommercadillac.«
»Habt ihr noch andere?«
»Natürlich. Einen grauen für die Herbstzeit, einen weißen für den Winter und einen rosaroten für den Frühling.«
»Allerhand«, sagte Schnitzel.

Er betrachtete auch Schnitzels grinsenden Mund mit den schrägstehenden Goldzähnen und dachte: Na, den werden wir übermorgen kastrieren.

»Mich kann der KGB am Arsch lecken. Ich hole den Mandelbaum aus Rußland heraus, so wahr ich Karl Schnitzel heiße!« Am 10. Juni kam der Eunuch Pedro Rodriguez alias Karl Schnitzel in Moskau an. Er kam ohne Hoden, aber mit einem Plan. Es war heiß geworden und Schnitzel zog sich den Regenmantel aus. »Nußknacker und ähnliches Zeug interessieren mich nicht«, sagte Schnitzel. »Ich gehe lieber ins Kino. Aber leider hab‘ ich dafür keine Zeit. Ich habe andere Sorgen, als in Moskau ins Kino zu gehen.«

»Nur die Astronauten kommen in den Himmel«, sagte der Taxifahrer. »In Sowjetrußland gibt es nichts Trauriges. Hier sind alle Menschen glücklich. Auch die Pflanzen und die Tiere.«
»Schnitzel denkt an alles«, sagte Schnitzel. Schnitzel und Mandelbaum gingen händchenhaltend durch die Dunkelheit.

»Ich schwöre nochmals beim Kopf meiner armen Mutter, daß mein Bericht wahr ist.«
»Lebt ihre Mutter noch?«
»Ja«, sagte Schnitzel.
»Wo?«
»In Wien.«
»Wo in Wien?«
»Im Wiener Irrenhaus.«
»Das macht nichts«, sagte Mr. Sliwowitz. »Eine Mutter ist eine Mutter.«
»Ja«, sagte Karl Schnitzel. »Eine Mutter ist eine Mutter.«

»Wir bogen also nach Norden ab«, sagte Schnitzel, »gingen an den Vorstadtgärten von Kerovsky vorbei, dann wieder über ein Feld, dann einen Feldweg entlang, dann über einige kleine Hügel und schließlich bis zum Wald.«
»Was für ein Wald?
»Ein Wald«, sagte Schnitzel. »Ein Wald ist ein Wald.«
»Na schön«, sagte Mr. Sliwowitz.
»Im Winter kommen die Wölfe bis an die Häuser und fressen die Wände an und lecken die Fensterscheiben vor Hunger. Aber im Sommer ist das was anderes.«
»Was ist im Sommer anders?«
»Im Sommer bleiben die Wölfe im Wald!«
»Ach so«, sagte Mr. Sliwowitz.
»So ist es«, sagte Schnitzel und blinzelte Mr. Sliwowitz schlau an.
»Ich bin kein Geographieprofessor. Aber wie ich sehe, Sie wissen Bescheid.«

»Er war tauber als eine Wand, denn die Wände haben manchmal Ohren. Aber er wollte nicht hören. Und das ist viel schlimmer. Denn mit den Tauben kann man manchmal reden. Aber mit einem, der Ohren hat und nicht hören will, da ist Hopfen und Malz verloren. Da ist nichts zu machen.«

Archibald Seymor Sliwowitz, ein Mann wie alle anderen! Es wäre nicht zu ertragen. »Deine Beine, liebe Anna Maria, müßte man malen, denn zum Fotografieren sind sie zu schade.«

Sergej ist kein Feigling. Er ist ein Künstler. »Dafür ist Schnitzel nicht der richtige Mann. Für so eine Sache brauchen wir einen Spezialisten!«
»Einen Spezialisten?« fragte Nino Pepperoni.
»Ja«, sagte Mr. Sliwowitz. »Einen Flugzeug-Entführungs-Spezialisten!«
»Eine großartige Idee!« sagte Nino Pepperoni.

»Dann müssen wir Kebab kastrieren, so wie wir Karl Schnitzel kastriert haben.«
»Das ist im Falle Kebab nicht nötig.«
»Und warum?«
»Weil Sergej Mandelbaum kein Esel ist!«
»Da haben Sie recht. Daran hatte ich nicht gedacht.«

Schnitzel, dachte Kebab. Ein Mann mit solch einem Namen kann keinen guten Geschmack haben. Aber das wissen deine Karateleute. Natürlich würde man die Stewardessen fesseln und knebeln müssen, aber das ist nicht deine Sache. Das machen die Karateleute. Sie wissen das.

»Die Beschneidung heißt auf hebräisch Brith Mila und ist außerdem hygienisch.« Nino Pepperoni weinte, als das Häutchen seines Enkelkindes so ohne weiteres und ziemlich erbarmungslos abgeschnitten wurde. Er hätte das Häutchen gern mit nach New York genommen, sozusagen als Andenken, aber dann dachte er an Karl Schnitzel und unterdrückte diesen Wunsch.


Edgar Hilsenrath feat. Will Future: Moskauer Orgasmus

Freitag, 8. April 2011

Soll ein Geschenk sein

Eine Salami zu kaufen ist nun nicht unbedingt das Schwierigste, das man sich vorstellen kann. Er stand jetzt aber schon seit einigen Minuten vor dem Regal mit den Salamis in allen Größen und Formen und konnte sich nicht entscheiden. Sehen alle gut aus, dachte er, naja die hier vielleicht nicht so. Er studierte die Schilder. Name, Preis und Preis pro 100g. Schweinssalami vom Schwein, Hirschsalami vom Hirsch, Knüppelsalami vom – das System schien komplexer zu sein als gedacht.

Man muß ja auch nicht immer Wurst essen, dachte er und ging weiter zum Kühlregal. Die Tiefkühlgerichte ließ er genauso links liegen wie ganz zu Beginn Obst/Gemüse, wobei man ehrlicherweise sagen muß, daß er Obst/Gemüse eher rechts liegen ließ. Er steckte Brotaufstrich, Milch und Joghurt in seine Tasche, in der das Brot schon einigen Raum eingenommen hatte.

Bei den Getränken regte er sich einigermaßen darüber auf, daß es immer weniger Multivitaminsäfte ohne Möhre gab. Versteh ich nicht, sagte er zu sich und nahm einen der letzten Mohikaner aus dem Regal. Die Zeitungs- und CD-Abteilung konnte ihm an diesem Tag nichts aufregendes bieten – er ging zur Kasse.

Nachdem das Paar vor ihm ihren ganzen Rassel auf das Förderband gelegt hatte, begann er, seinen Beutel zu leeren. Er schaute sich um. Ganz schön was los, dachte er dabei. Dann blickte er auf das Förderband, um zu überschlagen, was er bezahlen müsse. Das machte er immer und wenn er mit seiner Mutter einkaufen ging, gaben sie immer beide einen Schätzwert ab und der Sieger durfte sich dann freuen. Er schaute also auf das Band und schluckte.

Fein säuberlich – hohe Kartons und Flaschen werden in Fahrtrichtung des Förderbandes gelegt, dann kippt auch nix um oder rollt durch die Gegend – lagen da:

1 Bio-Mehrfruchtsaft
1 Bio-Milch
1 Bio-Sandwich-Creme „Paprika & Olive“
1 Bio-Sandwich-Creme „getrocknete Tomate“
1 Bio-Knuspermüsli mit Früchten
1 Naturjoghurt mild (krasses Zeug, kein Bio)

Er wagte es nicht aufzuschauen, weil er den Blick der Kassiererin spürte, der zu sagen schien: Bio-Tampons gab’s wohl nicht mehr, du Pussy! Er fühlte sich, wie Woody Allen in dem einen Film, wo er ein „Magazin“ kauft und die Kassiererin durch den Laden ruft „How much is the ORGASM?“ Er fing an zu schwitzen, stopfte alles in seine Tasche, wartete nicht auf das Wechselgeld und rief, während er halb rückwärts aus dem Laden stürzte, den Leuten zu: Ist nicht für mich, soll ein Geschenk sein!

Kann ein fiktiver Tomatenaufstrich so ein männliches Gimmick haben?
Lektorats-Lektor
jetzt neu: auch Korrekturats-Korrektur!

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Donnerstag, 7. April 2011

Schlimmer Verdacht:
War auch Blondi in der Lessi-SS?
Will Future bleibt dran!
Wegen der Kunst, Mario. Wegen der Kunst.
Der Tag begann äußerst aufregend für den Jungen. Weil er ganz früh in die Stadt fuhr, wobei, was heißt „ganz früh“, es war Sonntag und da war ja ziemlich lange „ganz früh“, weil er also noch recht früh losfuhr, konnte er sich seit langer Zeit mal wieder den Platz in der Straßenbahn aussuchen. Er setzte sich natürlich direkt hinter den Fahrer, allerdings auf die andere Seite, auf die Beifahrerseite.

Die vielen Knöpfe, Schalter, Leuchten und Uhren verlangten seine volle Aufmerksamkeit und damit er sie alle im Blick behalten konnte, setzte er sich auf Zehenspitzen hin und schaute, dem Fahrer seitlich an der Schulter vorbei, direkt aufs Armaturenbrett. Wie konnte der sich nur merken, wofür jeder einzelne Schalter oder jede einzelne Uhr da war? Seine Mutter bewunderte er genau für die gleiche Übersicht wie sie der Straßenbahnfahrer hier an den Tag legte, seit sie ihn einmal mitgenommen hatte auf ein Konzert, das sie als Tontechnikerin betreut hatte.

Als ihnen eine andere Straßenbahn entgegenkam, grüßte der Straßenbahnfahrer den anderen Straßenbahnfahrer, der ihn daraufhin zurückgrüßte. Der Junge winkte auch ein bißchen und drehte sich nach der Bahn um, die über die Kreuzung fuhr, obwohl die Ampel rot war. Die nächste Haltestelle hieß „Baumarkt“ und das gefiel dem Jungen, obwohl er sich fragte, warum man sonntags an einem Baumarkt halten mußte. Das ist eine gute Werbung für einen Laden, wenn eine Haltestelle so heißt, dachte er, dann kann das jeder finden.

Nach dem Baumarkt kam lange keine Haltestelle. Das ärgerte den Jungen ein bißchen, weil er sich schon so auf die nächste freute, weil sie „Stefan Georg“ hieß. Das ist ja noch besser, als eine Haltestelle, die wie ein Laden heißt, dachte er und er fragte sich, was er tun müßte, um auch eine eigene Haltestelle zu bekommen. Die Ansage plärrte durch die fast leere Straßenbahn: „Nächster Halt: Sankt Georg“. Und tatsächlich, die Bahn hielt vor einer großen Kirche, an der „Sankt Georg“ über der Tür stand. Der Junge schaute verdutzt hinauf zur Anzeige. Da stand immer noch „Stefan Georg“. Also eigentlich stand da „St. Georg“, aber es war ja klar, daß das „Stefan Georg“ heißen sollte und nicht „Sankt Georg“. Auf Stefan Müllers Deutschheft stand schließlich auch „St. Müller“. Das muß den Leuten von der Straßenbahn mal jemand sagen, dachte er sich.

Am Bahnhof tauschte der Straßenbahnfahrer seine Brille gegen eine Sonnenbrille, so eine Bob-Dylan-Sonnenbrille. Er war die Coolheit in Person, der Mann. Das war ja mal klar. Genau so, genau so wollte der Junge mal werden. Das sagte er dem Straßenbahnfahrer dann auch kurz vorm Aussteigen und er fragte ihn, ob er Autogrammkarten habe. Leider noch nicht, hatte der lächelnd geantwortet und der Junge rief dem Straßenbahnfahrer, während er aus der Bahn sprang, zu: „Vielleicht ja beim nächsten Mal!“

Montag, 4. April 2011

Sonntag, 3. April 2011

Uwe-Uwe erschien als letzter am Pier. Mandy Chantalle und Geronimo warteten bereits auf ihn, schließlich hatten sie sich ja auch für Punkt halb verabredet. Uwe-Uwe drückte Mandy Chantalle sein letztes Fünfmarkstück in die Hand, weil sie die Gruppenkarte für die drei bezahlt hatte. Geronimo hatte die Finanztransaktion nicht mitbekommen und drehte sich nun auf dem Steg zur Fähre um. „Wo bleibt ihr denn?“

Als sich die drei in der Mitte der Fähre in einem Viererplatz einrichteten – schließlich sollte die Überfahrt ja fast eine Stunde dauern – schien ihnen die Sonne volle Möhre ins Gesicht. Also, Geronimo nicht, denn er saß den beiden anderen gegenüber, weil er der einzige war, dem nicht schlecht wurde, wenn er rückwärts fuhr. Mandy Chantalle und Uwe-Uwe holten ihre Sonnenbrillen heraus. Geronimo hatte seine eh vergessen.

„Was hast du denn da, MJ?“ Uwe-Uwe nannte Mandy Chantalle „MJ“, MJ wie Michael Jordan, weil sie so eine gute Basketballspielerin war und er früher gedacht hatte, daß man Chantalle vorn mit J schreibt. „Das ist die clerus aktuell, meine Lieblingszeitung.“ „Gib mal her.“ Geronimo schnappte sich die clerus aktuell und las aus einem Artikel vor, über einen Jungen, der sein ganzes Zimmer mit Megapostern des Papstes zutapeziert hatte. In der Mitte der Zeitung war auch ein Poster – es zeigte einen Businesskasper mit Rollkoffer auf einem Flughafen, wahrscheinlich Schwechat, und einer Sprechblase: „Ich denke in meiner Freizeit oft an den Papst.“

Die Fähre bog nach links ab, Uwe-Uwe merkte es daran, daß sich sein linker Fuß von ihm wegbewegte – er hatte ihn auf der Scheibe vor seinem Sitz platziert, auf dem sich auch ein kleiner Junge vergnügte, wie es alle Kinder in Gelenkfähren zu tun pflegen. Sie waren also bald da und zum Zeichen, nun auszusteigen, nickten sich Geronimo, Mandy Chantalle und Uwe-Uwe zu – ebenfalls so, wie es alle Touristengruppen in fremden Städten tun. Weil sie sich nicht sicher war, ob Geronimo das verstanden hatte, sagte Mandy Chantalle: „G., wir müssen hier raus.“ „Ich weiß.“ Eine Mutter drehte sich um, weil sie „G.“ (lies „G-Punkt“) gehört hatte – doch sie erkannte in Mandy Chantalles Mimik sofort, daß dies nur der Spitzname von Geronimo war.

Uwe-Uwes Vater holte die drei am Hafen ab. Er empfahl ihnen ein Restaurant und gab ihnen einen Beutel mit Proviant und Sonnenbrillen. Während Uwe-Uwe und sein Vater sich unterhielten, fragte Geronimo Mandy Chantalle leise: „Wenn das Restaurant so gut ist, warum gibt er uns denn dann Proviant?“. Am Hafen war nichts los, es schien, als ob die Menschen an diesem Sonnabend lieber „Sonntag“ spielten.

Die drei gingen in Richtung Norden, überquerten die Danube und schon standen sie vorm Geburtshaus des berühmtesten Sohnes der Stadt: Itti Cox. Geronimo erkundigte sich nach dem Eintrittspreis. Weil so schönes Wetter war, fragte er, ob die drei nicht am Abend nochmal vorbeikommen könnten, aber die Frau von der Rezeption sagte, daß das Itti-Cox-Haus nur bis um sechs geöffnet habe, also eigentlich nur bis zehn vor.

Als sie einen kleinen Hag durchquerten, wunderten sie sich, wo denn die Eichhörnchen und Füchse waren. Ganz am Ende des Weges, auf einer Lichtung, betraten sie ein historisches Bistrot aus den 80er Jahren. Sie überschauten die ganze Stadt und auch einen beträchtlichen Teil des Meeres. Nachdem sie mit Bier angestoßen hatten, fragte Geronimo: „UU, ist das da unten ein Spaßbad?“ Uwe-Uwe antwortete: „Ja und nein.“ Es war zwar auch ein Spaßbad, aber eben nicht nur. Mandy Chantalle hörte vom Nebentisch, daß am Vortag auf der Freilichtbühne des Bistrots ein Gitarrenduo aufgetreten war. „Der eine hat gesungen, der andere die ganze Zeit mit Kippe im Mund und Gitarre“, sagte eine Frau und Mandy Chantalle fragte sich, wie man mit Gitarre im Mund spielen kann.

In einer Art Park kauften sie einigen Kindern ein Eis beim singenden Eisbären, hatten dann aber nicht mehr genügend Zeit, sich selbst eines zu kaufen. „Schade“, sagte Uwe-Uwe, aber kaum hatte er es ausgesprochen, standen sie schon am nächsten Imbiß und kauften die einheimische Spezialität: gebratener Votsenkopffisch mit Senf. Der kulinarische Genuß kam einem inneren Reichsparteitag nahe, was sie sich nicht trauten zu denken, nachdem sie erst kurz vorher am Mahnmal für faschistische Oper vorbeigelaufen waren.

Obwohl sie sich in der größten Mittelstadt Dänemarks, wenn nicht sogar ganz Skandinaviens befanden, hatten alle Geschäfte in der Innenstadt seit mittags geschlossen. Wie gesagt, die Menschen hier spielten Sonntag. Um vor der Hitze zu flüchten, gingen Uwe-Uwe, Mandy Chantalle und Geronimo in die sogenannte „Kelle“, ein weiteres touristisches Must-have dieser Stadt. Sie bezahlten recht umständlich den Eintritt (der Kassierer hatte Probleme, von Mark in Schilling umzurechnen) und schlossen sich der Führung durch die „Kelle“ an.

Der Führer, der der Zwillingsbruder des Kassierers war, wie sich später herausstellte, erklärte der Gruppe zügig, was eine „Kelle“ sei – im Grunde genommen eine Mischung aus einem Keller und einer Höhle. Die Bewohner der Stadt hatten diese früher angelegt, um ihren Alkohol vor den Nazis zu verstecken. Mandy Chantalle, Geronimo und Uwe-Uwe erfuhren auch, das die „Kelle“ im letzten Jahr endlich vom Premierminister des Landes als „echtes Museum“ ausgezeichnet wurde, nachdem man eine Vitrine angeschafft hatte.

Nächstes Highlight der Tour war der Marktplatz der Stadt, der genau so pittoresk aussah, wie jeder andere in dieser Gegend. Als die Kellnerin die Getränke brachte, sagte sie: „Zwei Kaffee für die Erwachsenen“ und stellte Uwe-Uwe ein Fläschchen heiße Milch hin. Er trank es zufrieden aus. „Ich brauche noch eine Videokassette!“ entfuhr es Mandy Chantalle.

„Haben sie den neuen Roman von Curt Tucholsky?“ Die Verkäuferin starrte auf den Bildschirm. Nach anderthalb Minuten fragte sie ratlos: „Wie schreibt man denn Titcharlsky?“ Mandy Chantalle buchstabierte es und sie fanden es nicht. Geronimo, der daneben stand, fragte, ob sie denn nicht eigentlich einen Film haben wollte und Mandy Chantalle schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte: „Stimmt!“. Sie kaufte schließlich eine CD.

Uwe-Uwe hatte unterdessen einen Luftballon gekauft und schaute sich jetzt Brillen an. Er lief in dem Laden hin und her zwischen Spiegel und Brillenständer. Einige Mädchen folgten ihm, wahrscheinlich weil er einfach mit jeder einzelnen Brille hervorragend aussah. Wie sie so hinter ihm hin und her trippelten, konnte man fast denken, man wäre auf einer Modenschau. „Fehlen nur noch die afrikanischen Trommler“, sagte Geronimo und Mandy Chantalle verbesserte ihn „Percussionisten!“

Als sie die Fähre in Richtung Heimat (Südeuropa via Prag) bestiegen, waren sie etwas enttäuscht, weil es diesmal keine Gelenkfähre war. Ein junger Mann wollte von ihnen wissen, warum sie die Fähre genommen hatten, woher sie kamen, warum sie da sein, wohin sie wollten. Mandy Chantalle, Uwe-Uwe und Geronimo wußten es nicht so richtig und schauten aus dem Fenster.