Mittwoch, 14. Dezember 2011

Nach Rücktritt: Große Ziele mit dem Ruder-Neuner

Wallgau. Biathletin Magdalena Neuner hat ihren Rücktritt verkündet. Dies begründete sie mit dem Wunsch nach einem Neuanfang. Im März 2012 werde sie sich vom Biathlontross verabschieden.

Die 24jährige hatte in den letzten Jahren alle möglichen Goldmedaillen in ihrem Sport gewonnen. Nach diesen Erfolgen habe sie nun keine Ziele mehr im Biathlon – „und ohne Ziele ist es ja kein Biathlon mehr“, sagte sie Will Future, „dann ist es ja bloß noch Langlauf!“ Über den Langlauf würden laut Neuner fast alle Wintersportler hinter vorgehaltener Hand (wegen des Dampfes vorm Mund) sagen: „Langlauf ist Langweillauf.“ Das wolle sie sich nicht antun.

Neuner erklärte bei der Rücktrittsverkündung, sie habe während ihrer Zeit als Biathletin sehr unter den widersprüchlichen Trainingsmethoden gelitten: „Das ständige Hin und Her zwischen Uwe Müßiggang und Rico Ros hat mich total fertig gemacht!“, so die Wallgauerin.

Sie werde sich jetzt ein wenig ausruhen und dann ab 2013 neuen Aufgaben widmen: „Eine Goldmedaille bei den Olympischen Sommerspielen, das wär’s!“ Diese will sie in Brasilien 2016 mit dem Ruder-Neuner erreichen. Sie traue sich das zu: „Ich hab ja schon immer beim Stehendschießen ganz schön gerudert“, grinst sie in die Kameras. Sie wolle den „scheiß Wintersport“ gegen vergnügliches Planschen im kühlen Nass tauschen.

Dabei wird sie auch von ihrem Lebensgefährten Bob Pilot unterstützt, der Steuermann im Ruder-Neuner wird.

Donnerstag, 24. November 2011

One for the fox and one for the show



and, ganz neu, one for the fog:

Hygieneartikel

Der männliche Mensch an sich läßt sich bekanntlich in zwei Gruppen unterteilen: die eine wäscht sich die Hände nach dem Pinkeln, die andere nicht. So weit, so gut.
Bei beiden Gruppen, den Händewäschern und den Nicht-Händewäschern (auch Hände-Nichtwäscher genannt) lassen sich jedoch noch einmal je zwei Untergruppen unterscheiden.

Nehmen Sie zunächst die Händewäscher. Die einen pinkeln, waschen sich die Hände, trocknen sie ab (oder auch nicht, das ist für diese Erhebung unerheblich), öffnen die Tür und gehen ihrer Wege. Wir nennen diesen Typus den unreflektierten Händewäscher.

Der reflektierte Händewäscher hingegen pinkelt, wäscht sich die Hände, trocknet sie ab (oder auch nicht, das ist für diese Erhebung unerheblich), geht zur Tür und – hält inne. Er fragt sich: „Was bringt mir das Händewaschen, wenn ich danach die Türklinke anfasse, die vor mir schon zig Nicht-Händewäscher und Hände-Nichtwäscher betätigt haben?“

Es gibt für diesen Typus des männlichen Menschen dann genau zwei Möglichkeiten: erstens warten bis der nächste raus- oder reinkommt und die offene Tür zur Flucht nutzen. Oder zweitens mit einem Papierhandtuch (so es welche gibt) die Klinke runterdrücken, den Fuß in die Tür stellen, sich noch einmal, ein allerletztes Mal umdrehen, das Papiertuch im Papierkorb versenken, triumphierend weiterziehen.

Hier ist ein gewisser sportlicher Reiz im Wunsch zu treffen (ähnlich wie kurz vorher am Becken) gegeben sowie die Gelegenheit, festzustellen, daß Papierkörbe auf Herrentoiletten niemals an der Tür, sondern immer am anderen Ende des Waschbeckenraumes stehen. Dies hat wiederum der Konsequenzen zweie: das Papiertuch sollte mindestens mittelnaß sein, um den weiten Weg einigermaßen berechenbar zu fliegen. Außerdem gilt es zu beachten, daß auf der weiten Strecke niemand in die Flugbahn läuft und dem Werfer womöglich vor Freude über den undefinierbaren nassen Fetzen am Leib – wer rechnet schon mit einem reflektierten Händewäscher-Papiertuchwerfer, wenn er vom Klo kommt – seine (womöglich ungewaschenen) Fäuste zuteil werden läßt.

Bleiben die Nicht-Händewäscher bzw. Hände-Nichtwäscher. Auch sie sind differenziert zu betrachten, denn einige von ihnen pinkeln, denken überhaupt nicht ans Händewaschen, klinken und sind weg. Unreflektierter kann man sich die Hände gar nicht nicht-waschen.

Der reflektierte Nicht-Händewäscher hingegen handelt sehr bewußt. Er weiß, die Klinke ist eh versaut, es kommt in der nächsten Stunde keiner hier rein, der scheiß Händefön nützt mir überhaupt nix – das Händewaschen kann ich mir schenken, also zieh ich’s einfach durch. Alles, was mich nicht umbringt usw. usf. Dieser Typus wird zu nicht geringen Teilen aus desillusionierten und resignierten Händewäschern gespeist.

Auf den Ergebnissen dieser Studie aufbauend wird an der finnischen Uni Versität 2012 eine Forschungsgruppe des Lehrstuhles Toilet Gender Studies den Versuch einer ähnlichen Typisierung der weiblichen Menschen unternehmen.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Doppelleben in der Halbwelt

I

Nachdem ich die Schlampe abgeknallt hatte, kochte ich mir erstmal einen Kakao. Ich hatte vorher noch nie einen Induktionsherd benutzt, aber Einschalten, Kochen, Umrühren ist halt auch da nur Einschalten, Kochen, Umrühren. Ich nahm eine Milch aus dem Kühlschrank und einen Topf aus dem Schrank. Das Kakaopulver rührte ich mit einem Schneebesen unter. Das hätte ich zuhause nicht gemacht, weil ich Schneebesen eigentlich haßte für ihr dämliches Verhalten beim Abwaschen. War mir hier aber egal, ich mußte ja nichts abwaschen. Ich schaltete den Herd aus und goß die Tasse viel zu voll, sodaß ich nur ganz langsam zum Balkon gehen konnte, ohne etwas zu verschütten, in Zeitlupe fast.

Es war angenehm warm draußen, jedenfalls für Mitte Februar. Ich ließ mich umständlich in den Sonnenstuhl fallen, nachdem ich den Schnee mit dem Fuß runter gefegt hatte, mit der heißen Tasse in der Hand, aber es gelang. Ich schaute mich um und in die Sonne und nach links und nach rechts, und ich dachte: Hier läßt es sich wohnen.

Der Kakao schmeckte hervorragend, aber die heiße Tasse machte mir zu schaffen. Wenn ich sie in den Schnee neben den Stuhl stellte, wurde der Kakao kalt. In meinen Händen war es ohne Handschuhe kaum zu ertragen. Mit Handschuhen konnte ich aber nicht rauchen. Ich war ziemlich am Arsch. Beim Herausfummeln der Zigarettenschachtel passierte es dann schließlich: die Tasse kippte und ergoß den Kakao hälftig auf meinen Ärmel, hälftig in den Schnee, der gleich darunter wegschmolz und den Blick auf den sehr schönen Holzboden des Balkons freigab. Scheiße.

Ich stapfte wieder rein und holte den Schneebesen nochmal aus der Spüle. Die restliche Milch goß ich in den Topf, Herd an usw. usf. – kann man sich ja vorstellen. Während die Milch warm wurde, schaute ich mich im Kühlschrank um, fand aber nichts. Ich setzte mich diesmal mit dem Kakao auf die Couch und legte die immer noch vom Schnee nassen Schuhe auf den Tisch. Die Sohlen quietschten auf der Glasplatte. Es gab keinen Fernseher in der Wohnung aber ein großes Bücherregal und eine Hifi-Anlage. Ich kniff die Augen zusammen und drehte den Kopf zur Seite, um die Titel auf den Buchrücken zu lesen. Alles Kunstbände, ab und an mal ein Roman dazwischen. Wie kann man denn soviele Bücher haben und sie dann nicht systematisch anordnen? Ich verlor das Interesse an diesem Durcheinander und widmete mich wieder der Milch. Die Couch war sehr bequem und ich fühlte mich hier wirklich wohl. Ja, konnte man so sagen.

Ich nahm die Fernbedienung vom Tisch und schaltete die Hifi-Anlage an. Die Musik dudelte vor sich hin, die Boxen waren gut aufgestellt. Als ich nochmal nebenbei meinen Blick über das Bücherregal schweifen ließ, sah ich etwas oder vielmehr: glaubte ich etwas zu sehen, das mich den Kakao abstellen und mich zum Regal gehen ließ. Tatsächlich, eine Pléiade-Ausgabe von Céline, der erste Band der Romane mit der Reise und dem Tod auf Raten. Ich steckte das Buch ein, wäre ja schade drum.

Bevor ich die Wohnung verließ, schüttete ich noch eine Blumenvase auf die Leiche, vielleicht könnte ein junger Polizist da eine interessante Spur reindeuten. Ich ließ die Tür ins Schloß fallen und ging an den Aufzügen vorbei ins halbdunkle Treppenhaus. Es war am frühen Abend und ich begegnete zwei Omis, die mich grüßten. Unten fischte ich noch einen Umschlag aus dem Briefkasten.
Ich trat heraus, stellte den Mantel ein wenig auf, weil es unterdessen zu schneien begonnen hatte.


~~~~~


II

Ich nahm wie fast jeden Morgen einen kleinen Kaffee mit Schuß und zwei Stück Kuchen. »Wie immer?«, hatte mich der Bäcker gefragt, ich hatte nur genickt, mir eine Zeitung geschnappt und mich an einen der drei kleinen Tische gesetzt. TOCHTER DES BÜRGERMEISTERS ERMORDET titelte die Zeitung und ich bekam mit, wie ein älterer Herr und der Bäcker vorn aufgeregt darüber sprachen. Ich dachte nur: »Tja, das war ich.« und schaute mir den Wetterbericht auf der letzten Seite an. Nichts Besonderes. Mein Kaffee kam und ich fragte den Bäcker, ob er schon von diesem Mord gehört habe. »Natürlich! Die ganze Stadt spricht davon! So ein hübsches, unschuldiges Mädchen!« »Ja hübsch war sie wirklich«, sagte ich und zeigte auf das Photo. Sie war wirklich hübsch, ich hatte schon überlegt, ob ich noch mit ihr schlafen sollte, aber dann ergab sich der Moment so schön und ich konnte nicht anders als sie gleich abzuknallen. Vielleicht beim nächsten Mal.

Als ich an der Uni ankam, war die Tür des Vorlesungssaals bereits geschlossen. Ich drückte nur ganz langsam die Klinke herab, weil ich wußte, was der Professor von Verspätungen hielt und hoffte darauf, daß er so beschäftigt sei, daß er mich nicht bemerkte. Als ich die Klinke fast ganz runter gedrückt hatte, hob ich die Tür ein winziges Stück an und zog sie langsam auf, genau soweit, daß sie nicht knarrte und daß ich mich reinquetschen konnte. Genau so langsam drückte ich die Klinke wieder nach oben und zog die Tür wieder zu. Eine Meisterleistung. Ich drehte mich um, der Hörsaal war leer.

Ich lief rüber zur Cafeteria, es ging drunter und drüber, aber es schien mir irgendwie anders drunter und drüber als sonst. Weil ich mich mal wieder nicht entscheiden konnte, ob hier der Kaffee oder der Kakao weniger schmeckte, nahm ich einen Tee, der auch nicht schmeckte. An einem der Tische sah ich einen Kommilitonen, den ich zwar nicht per Namen kannte, aber wenigstens fragen wollte, was denn mit der Vorlesung sei. »Der ist heute einfach nicht gekommen! Die vom Sekretariat wissen auch nichts. Ich mein, ich will ja niemanden verdächtigen, aber das ist doch komisch, gestern wird die Kleine vom Bürgermeister umgebracht und heute kommt der nicht!« Was für ein Idiot, dachte ich, deinen Namen werde ich mir nienienie merken. Ich goß den Tee in die Kunstblumen, die sich sofort der Hitze beugten und er schaute mich entsetzt an. Ich ging weg ohne mich zu verabschieden.

Auf der anderen Straßenseite sah ich zwei Polizisten an meinem Tisch beim Bäcker sitzen. Ich ging hin, weil ich den einen, den dünnen, von früher her kannte. Wir waren mal an der gleichen Schule und unterhielten uns gelegentlich, wenn wir uns über den Weg liefen. »Ahoi«, sagte ich, als ich die Bäckerei betrat, der andere Polizist zog mir einen Stuhl an ihren Tisch, der eigentlich schon für zwei zu klein war. »Willst du auch ‘ne Schokolade?«, fragte er mich und ich antwortet ihm, daß ich grad schon mal hier war und satt sei. »Eine Schokolade ist ja auch was zu trinken, ich lad dich ein« – er bestellte mir eine Schokolade. Der Polizist, dein Freund und Helfer. »Was treibt euch denn hierher?«, fragte ich und sie guckten mich an, wie das Schwein ins Uhrwerk. »Sag bloß, der feine Herr Student hat nicht mitbekommen, daß die Tochter vom Bürgermeister ermordet wurde?« Doch, natürlich. Der dünne Polizist, dessen Namen ich eigentlich kennen müßte, zeigte mit seiner linken Hand in Richtung Schaufenster und murmelte mit vollem Kuchenmund: »Ortübn.« Er fuchtelte mit dem Arm ein bißchen, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen. Ich verstand nicht recht. Er schluckte runter und sagte:
»Man, die hat dort drüben gewohnt und da haben wir sie gefunden.«
»Hier?«
»Ja.«
»Ihr?«
»Naja, nicht wir beide, aber wir von der Polizei. Sag mal, was machst du eigentlich hier? Bist du etwa fertig mit deinem Studium?«
»Bald. Der Professor ist heute nicht gekommen, keiner weiß, warum.«
»Aha.«


~~~~~


später mehr

Donnerstag, 29. September 2011

Fünftausend Menschen, danke Deutschland, danke Welt!





















5000 BesucherInnen bei Will Future! und er hat sie alle gehabt!

Schon bald werden wir darüber lachen und sagen: Was waren die Anfangsjahre noch beschaulich in so gemütlicher Runde.

Wenn Millionen von Menschen folgen, wenn Will-Future-Gemälde bei Höffner verkauft werden, werden wir, die Avantgarde, uns abwenden und T-Shirts tragen, auf denen NO FUTURE steht.

Doch bis dahin halten wir, die Avantgarde, zusammen und gehen als Futuristen durch die dunkle Welt der Blinden und Gefühllosen, der Tauben und Geier.

So wie es diese geheimnisvolle, wunderschöne und zudem auch noch junge Dame (sehr intelligent und witzig) tut, die als 5000. Besucherin zum Beweis einen von uns IT-Gregs sogenannten Screenshot postalisch an Will Future geschickt und damit einen exklusiv von Will Future zubereiteten und von ihm in einer Pariser Tasse servierten Kaffee (der nicht gehen kann) gewonnen hat. (Jawohl, Will Future befand sich in einer Pariser Tasse, als er den Kaffee servierte.)

Doch wer ist diese geheimnisvolle, wunderschöne und zudem auch noch junge Frau (sehr intelligent und witzig)?, fragen Sie?

Und seien Sie hier der oder die 5555. BesucherIn! Oder der/die 6000. oder 100.000! Wer weiß, was es dann für glamouröse Preise zu gewinnen gibt!

Oder lassen Sie sich doch die Arschbacken tätowieren mit FUTURE FUTURE! Warum denn nicht!

Montag, 26. September 2011

Olaf Schubert hat einmal gesagt, daß die Elbe vom Feuchtigkeitsgehalt her in Dresden nicht anders sei als in Hamburg

Durch Dresden fließt die Elbe,
es hängen da Gemälde.
Auch Hamburg liegt an diesem Fluß.
Die Wände dort? Auch voll mit Stuß.

Bild an Bild in jedem Haus
und jedes zeigt die Elbe.
Und schaut man mal zum Fenster raus,
was sieht man da? Das Selbe.

Dienstag, 20. September 2011

Matthäus übernimmt DFB-Juniorinnen

Nur wenige Tage, nachdem er als bulgarischer Nationaltrainer entlassen wurde, stellte der DFB Lothar Matthäus nun als neuen Trainer der deutschen U19-Nationalmannschaft vor.

„Lothar ist ein verdienter Spieler und Trainer und damit genau der richtige für den Job. Er wird dem Frauenfußball mehr Glamour verleihen“, so Bundestrainerin Silvia Neid, die ihren neuen Kollegen jedoch zunächst noch taktisch schulen müsse. „Er kann und muß noch sehr viel von ihr lernen“, ergänzte DFB-Präsident Ceo Zwanzig.

„Für mich ist das ein Traumjob!“, grinste Matthäus in die Kameras. Er sei sich sicher, mit der Mannschaft gut klar zu kommen. „Ich war ja schon mit drei von den Mädels verheiratet und auch die meisten anderen sind Studi-VZ-Freundinnen von mir.“ Er werde eine schlagkräftige Truppe um die Stützen Mausi, Schatzi und Schmusekätzchen aufbauen.

An der U19-Nationalmannschaft schätzt er verglichen mit den Erwachsenen besonders „dieses Unschuldige, Unbedarfte, noch Knospende und das viel straffere Gewebe“ im Spiel, wie Matthäus es formuliert. Ein großes Funktionsteam brauche er nicht, weil er selbst zum Beispiekl ein ausgezeichneter Masseur sei, der immer auf ein Happy End aus sei.

Er könne den U19-Juniorinnen auch sonst noch viel beibringen, „aber bei den Hausaufgaben kann ich nicht helfen!“ „Das stimmt!! In unserer zweiten Ehe letzten März habe ich einmal eine Geographieklausur vermasselt, weil Lothar mir gesagt hat, die Hauptstadt von Frankreich sei Nürnberg.“, sagte Angreiferin Ivana Rudelic. „Hatte es mit Fürth verwechselt.“, gesteht Matthäus heute.

Sonntag, 18. September 2011

Und dann machte der Opel dicht

Ich drehe den Schlüssel und es macht bing,
frag mich, warum das so komisch klingt.
Drehe den Schlüssel hin und her,
völlig umsonst: Tag der geschlossenen Tür.

Keine einzige bewegt sich auch nur ein Stück,
auch nicht innen die Nupsis, ich werd verrückt.
Man kommt nicht mal mehr ran an den Tank.
Der Deckel zu, ZV sei Dank.

Nur einer stellt sich gegen‘s System.
Ein Sympath bleibt unbequem.
Er läßt sich öffnen, wie im Traum:
mein alter Freund, der Kofferraum.

Einsteigen ist also kein Problem:
Klappe auf und über die Sitze quälen.
Dann fahren und langsam mal überlegen:
wo und wie könnte ich denn aussteigen?

Der Kofferraum geht nur von außen auf.
Ich klettere also zum Fenster raus.
Dann nochmal durch den Kofferraum rein,
das Fenster will ja geschlossen sein.

Und das geht nur kurbelnd, also von innen.
Dann einfach wieder zum Kofferraum raus.
Zuschließen, fertig, aus die Maus.
Wahlweise wieder von vorn beginnen.

Antrittsvorlesung am Schkeuditzer Kreuz Richtung Hamburg

Der Laden ist voller Menschen, durchschnittlich mit Zigarette und Bier bestückt. Kleine Lichtpunkte tanzen durch den Club, von der Decke die Wände runter über die Menschen, einfach drüber, ohne Rücksicht auf Verluste. Alles scheint sich zu bewegen. Nur in der Mitte der Tanzfläche steht regungslos ein Mädchen mit Rucksack. Nicht besonders schön, weder er noch sie. Bzw. es. Es müßte es eigentlich heißen - wider dem natürlichen Geschlecht des Mädchens. Nee, wider das natürliche Geschlecht. Gibt es im Conne Island überhaupt natürliche Geschlechter? Oder ist nicht jedwedes Geschlecht immer konstruiert?

So konstruiert wie das Essen des einen Typen vom Schkeuditzer Kreuz, der, der immer so nuschelt, daß man nichts versteht, wobei, das immerhin hab ich ja verstanden, daß er mal wieder was aus Fleisch und Gemüse in seiner Pfanne konstruieren wolle, was aber immer daran scheitere, daß in seinem Quartier anstelle von Lebensmittelhändlern nur noch dekonstruktivistische Kräfte, d.h. Künstler und deren Imitatoren, leben, zu denen er sich offensichtlich nicht zählt, obwohl er Autor, d.h. Künstler ist. Andererseits fällt mir grad ein, daß er irgendwo mal auf einem Symposium oder sowas erzählt hat, daß er eigentlich Bäcker sei und nur nebenbei Autor, in Teilzeit sozusagen. Mehrere Jobs, Kreativwirtschaft, Gentrifizierung, ist das schon wieder alles kompliziert.

Und ja, ich habe Quartier gesagt. Ich darf das auch, weil ich mal in Frankreich war und weil ich zu den wenigen Menschen gehöre, die bei Viertel an Uhren denken und nicht bei Quartier. Und ja, ich habe auch Gentrifizierung gesagt und nicht Tschentrifizierung. Ich sage ja auch nicht Tschentechnik oder Tschänseblümchen. Der eine andere vom Schkeuditzer Kreuz, ich meine jetzt den mit den optischen Meßgeräten, die an einen Trabanten erinnern, hat übrigens gelacht über das Kochen als anti-dekonstruktivistische Konstruktion. Ich ja auch. Und die Kellnerin meinte ernsthaft, man könne Fritzkaffeecola trinken! Kann man nicht. Mit jedem Schluck tötet man ein Stück seines innerlichen Matrosen und das tut weh, Schluck für Schluck.

Innerlicher Matrose, wie das schon wieder klingt: nach Jacques Palminger, mindestens aber nach Hamburg, der Stadt der gülden eingefärbten Pudel und damit wären wir erstens auch schon wieder am Anfang der Geschichte (der Pudelapparat zu Gast in Leipzig) und zweitens bei einem Problem, weil Jacques Palminger fett und unterstrichen da steht, also die Worte. Weil ich ja sonst immer im Internet schreibe und da weiß man dann: fett und unterstrichen, da kann man draufdrücken. Da geht - hoffentlich - ein neuer Tab auf statt den alten zu überlagern. Manchmal passiert aber auch nichts, da kann man drücken wie man will. Es passiert dann einfach nichts.  

Mittwoch, 14. September 2011

Bielefeld, Halle und Kiel

I

In Bielefeld, in Bielefeld,
da gibt es eine echte Stadt,
die hat jemand da hin gestellt,
der leider nichts gesehen hat.

Er mühte sich, er mühte sich
von Plattenbau zu Plattenbau.
Es wurde wohnlich und gewöhnlich,
schön bunt, in hell- und dunkelgrau.

II

Ich halle an der Saale,
du hallst an der Saale
usw. usf.
Das war’s auch schon zu diesem Ort.

III

In Kiel bin ich noch nie gewesen.
So schön kann’s also gar nicht sein.
Hab auch noch nie davon gelesen,
von wegen: „Schöne Stadt am Rhein“.

Auch nicht: „Ringsherum die vielen Berge!“,
„und die vielen Sonnenstunden“.
Nichts davon, in keinem Werke.
Hab mich drum noch nie hingefunden.

Samstag, 10. September 2011

Neun Elftel beliebtester Bruch

Forscher der finnischen Uni Versität haben jetzt herausgefunden, daß Neun Elftel der beliebteste Bruch der Welt ist. „Obwohl es ein gemeiner Bruch ist, mögen ihn die Menschen“, heißt es in der Presseerklärung der Forschungsgruppe.

Kurios: War 9/11 vor zehn Jahren noch nahezu unbekannt, erlebte er seitdem einen enormen Aufschwung. „Gerade in den letzten Wochen wurde in den Medien wieder vermehrt über 9/11 berichtet“, weiß auch General Intendant von der ARD.

Doch 9/11 wird längst nicht in allen Bevölkerungsteilen gleich gemocht. Unter Politikern beispielsweise erfreut sich 2/3 noch größerer Beliebtheit. Die meisten Mathematiker bevorzugen 3718/61559, der Einzelhandel hingegen 24/12 und 14/2.

Bei unseren Nachbarn in Österreich belegt 9/11 übrigens weiterhin nur den zweiten Platz hinter dem Klassiker 3/4, der weiterhin den Takt vorgibt.

Dienstag, 6. September 2011

Denmark neuer Poolbillardchampion
















Der Franzose Thomas Denmark hat gestern den Thron im Poolbillard erklommen. Er setzte sich im Finale mit 6:4 und 7:5 gegen den Norweger Per Langerköö durch. Für den 47jährigen aus Marseille war es der erste Titel. Deutsche Athleten hatten sich nicht qualifiziert.

Zunächst lief es dabei für den Franzosen gar nicht gut. In der Vorrunde hatte er einige Schwierigkeiten mit den niedrigen Wasserständen der Pools. „Ich spiele eigentlich lieber die vollen“, gab er später zu Protokoll. Er habe sich aber schnell einspielen können. Die Zuschauer verfolgten begeistert, wie Denmark und Langerköö auf ihrem Weg ins Finale die Kugeln mit lautem Platschen versenkten und ihre Kontrahenten naß machten.

Im Finale selbst ging Langerköö dann allerdings unter. Er wirkte nicht ganz austrainiert, der eine oder andere Rettungsring war unter seinem Hemd zu erkennen. Anders Denmark, der wie immer passend zu Fliege und Hemd seine elegante schwarze Schwimmweste trug und nach dem entscheidenden Punktgewinn in der Menge badete.















Per Langerköö sticht in See

Dienstag, 30. August 2011

Philipp Lahm: Schulter gebrochen

Der Kapitän der Nationalmannschaft fällt wahrscheinlich fürs Länderspiel am Freitag aus. SCHULTER GEBROCHEN lautet die Diagnose des Teamarztes, eine Woche liegt Lahm wohl flach. Dabei hatte der Länderspieltermin so gut begonnen: „Als Abendbrot gab es Schweineschulter und Sauerkraut. Das ist mein Lieblingsessen!“, ließ Lahm über seinen Pressesprecher verlauten. „Aber dann hab ich in der Nacht ganz dolle Bauchschmerzen bekommen.“

Bastian Schweinsteiger, Lahms Zimmerkollege, habe daraufhin Lahms Mutter angerufen. „Ich bin wach geworden, weil der Philipp so gewimmert und geschluchzt hat. Und dann bin ich vom Doppelstockbett runtergeklettert und dann, und dann hab ich den Philipp da liegen gesehen. Der hat geweint!“, so Schweinsteiger.

Daraufhin habe er unverzüglich angerufen, „wie wir es beim Herrn Löw gelernt haben.“ Es dauerte jedoch ca. fünfzehn Minuten, bis Lahms Mutter aus dem Nachbarort, in dem sie zufällig weilte, eintraf. „Da hatte der Philipp sich dann schon vollgebrochen und dann, als die Frau Lahm da war, hat er nochmal gebrochen. Die ganze Schulter vom Abendbrot!“ Lahms Mutter bestätigte, daß das Sauerkraut tatsächlich „drin geblieben“ sei.

Sie habe dann den Zimmerboden gewischt und ihrem Sohn seine Lieblingsbettwäsche bezogen, sodaß er schließlich in den Schlaf fand. Schließlich schrieb sie noch eine Entschuldigung für ihren Sohn (siehe unten). „An Fußballspielen ist jetzt natürlich erstmal nicht zu denken.“

Schweinsteiger, der einen leichten Schock davontrug, bekam heute ebenfalls trainingsfrei, soll aber durch ein ausgeklügeltes Schlafprogramm bis Freitag wieder fit werden.


Will Future druckt hier exklusiv Frau Lahms Brief an Jogi Löw ab:


Sehr geehrter Herr Jogi,

mein Junge kann zur Zeit nicht zum Fußballtraining kommen. Es geht ihm gar nicht gut. Ich weiß nicht, warum Sie ihm gestern zum Abendbrot Schweineschulter gegeben haben, aber er hat letzte Nacht zweimal gebrochen und muß sich jetzt ausruhen.

Ich möchte Sie daran erinnern, daß wir zwei Dinge ausgemacht hatten: 1. Sie informieren mich, wenn was mit dem Philipp ist und 2. Kein fettiges Abendessen.

Bitte kommen Sie Ihrer Aufsichtspflicht besser nach! Es kann doch nicht sein, daß der Basti mich mitten in der Nacht anrufen muß, weil es dem Philipp schlecht ist! Gut, daß ich mich im Nachbarort für den Notfall einquartiert hatte. Nicht auszudenken, was sonst…

Wenn Sie mich in Zukunft nicht früher – und zwar persönlich – informieren, kann ich Philipp nicht mehr zu den Länderspielen schicken.

Tut mir leid!

Die Mutti vom Philipp

Montag, 29. August 2011

Die Kunst des Beinebaumelns

Oder: Reime – baumeln und baumeln lassen

Liegen haben kurze Beine.
Betten aber meistens auch.
Menschen, Modells, Rehe nicht so.
Lacht man sie deswegen aus?

Ihre Beine bis zum Boden
stehend, sitzend, überhaupt.
Könn‘ nicht ansatzweise baumeln,
sehen dabei traurig aus.

Von Kindesbein‘ an wird gebaumelt:
Füße frei, Mundwinkel rauf.
Glücklich, wer sich’s kann erhalten
und einssiebzig nur anhaucht.

Freitag, 26. August 2011

Ein Ort, der keiner ist

Oder: Marc Augé, ich grüße dich!

In Wurzen steht ’ne Tankstelle,
die kein Benzin verkauft.
Ihr Heimatland: tot seit ’ner Weile,
doch sie ist noch nicht abgetaucht.

Die Säulen weg, kein Auto mehr.
Es steht da heute Stein an Stein.
Für Sterbende der DDR
muß es jetzt ein Steinmetz sein.

Und fehlt fürs Sterben noch das Geld,
liegt gegenüber ein Lokal.
Ein Eis ist schließlich schnell bestellt
und dann zur Not auch noch bezahlt.

Der Mehrheit wird das nicht gefallen:
Vergangenheit, Tod, Softeiskrem.
Dazwischen liegt die Bundesstraße.
Nur durchfahren, gucken, nicht hier leben.

Mittwoch, 24. August 2011

DFB stößt kein CO-20 mehr aus

Der Deutsche Fußballbund (Dachverband der Sportarten Fußball und Frauenfußball) engagiert sich im Umweltschutz. „Wir haben uns von unserem Präsidenten getrennt“, verkündete am Abend Pressesprecher Andreas Brehme. „Es ging ja hier nicht nur um CO2, sondern um viel gefährlichere Substanzen!“ Brehme betonte weiterhin, daß man sich schon eher getrennt hätte, wenn der DFB früher über das Brisanzthema Bescheid gewußt hätte.

„Wir wissen nichts davon oder jedenfalls sage ich nichts“, äußerte sich gestern Bundestrainer Pussi Löw. Ehrenspielführer Michael Ballack hingegen gestand gegenüber der Sportbild: „Man hat zwar nie etwas Verdächtiges gehört, aber es lag schon länger was in der Luft.“

Nun wurde bekannt, daß DFB-Präsident Ceo Zwanzig vorsätzlich Ohropax (offizieller Partner der deutschen Nationalmannschaft, der Frauen aber nicht) während seiner Auftritte verteilte. „Fanden wir normal“, so Brehme: „Er gab ja eh nur heiße Luft von sich.“ Außerdem hörten die meisten Spieler sowieso Musik während der Reden des Präsidenten. „Das ist Usus und bei meinen Ansprachen nicht anders.“, so Löw. „Ja, die meisten schon. Aber ich höre eigentlich immer Bibi Blocksberg-Geschichten. Meine große Schwester hat mir ihre Kassetten auf meinen Ipod draufgespielt!“, zeigt Philipp Lahm uns stolz sein Display.

„Daß Ceo Zwanzig allerdings die Ohropax, die ja offizieller Partner der deutschen Nationalmannschaft sind - der Frauen natürlich nicht – verteilte, weil er unkontrolliert Methan ausstieß, konnte doch keiner ahnen!“ Pressesprecher Brehme stockt bei diesen Worten. „Und daß es dann auch noch das gefährliche hochkonzentrierte CO-20 ist, daß er täglich in die Umwelt preßte…“ Brehme weint ehrliche Krokodilstränen, die anwesenden Journalisten zeigen aber natürlich kein Mitgefühl. Das ist vorbildlich, denn so haben sie es gelernt.

Ceo Zwanzig wollte sich zu dem CO-20-Skandal nicht äußern: „Ich kann nicht alle Furze lang Interviews zu irgendwelchen umherwehenden Gerüchen geben.“ Gerüchen? Ein pawlowscher Versprecher? Hätte es nicht „Gerüchten“ heißen müssen? Der DFB hat dazu gestern eine Task Force (Vorsicht: Wortspielfalle!) in Darmstadt gegründet.

Montag, 22. August 2011

Schönes Wochenende







VII

The streets are dark and because of the fucking all-day-rain they are fucking wet too. The fog makes everything grey and I cannot see anything except of the banc under the lantern. In the background there seems to be a bar or something that seems to be a bar. But nobody in the streets. I wish I was in the warm bed of Daisy. But now she’s dead and I’m here in the fucking fog, the finger on the trigger. Why do I have to wait for this guy? It is me people have to wait for. Wasn’t this a shadow in the shade next to the old chemist’s where I used to buy pills for mom some thirty years ago. A guy appears. Shabby, drunken but clear in his eyes. Parker. I hated him since the first day. Only once more I need his help. I press him on the wall, my forearm on his chest.

Where is Agent M?

I shout because there is nobody who would concern about it.

I think it’s Bakerstreet. It has always been there.

What the fuck?

I press stronger and I even shout louder.

H&M. It’s Bakerstreet as it always was. Even in our youth.

This damned idiot is so fucking stupid.

Do you really think I meet you three o’clock in the morning to ask you where is H&M?

I’m beside me.

I’m looking for Agent M!!

Pardon, I misunderstood. But why do you think I do know anything? I’m out of bizz for years.

My finger on the trigger gets stronger. I do not have time for this fucking shit. An old lady passes the street. If she had a hat I would promis she was the Queen.

Good morning, mam. Excuse me, do you know the whereabouts of Agent M?

Immadiately and without any anouncement she shots Parker. Before saying Come on she finishs murmuring but I did not shot the deputy.

Come on. There is even a lot you have to learn, fellow. ...






Please mind the Kommentar of the Will of the Future (and the gap, of course):

Der Text ist alt! Und gar nicht von dir! höre ich einige sagen. Das ist ein Auszug aus Danois Fumés Unvollendetem. So stand es jedenfalls im vorletzten Jahr in Two Knights in Paris. Aber was soll ich sagen: Danois Fumé ist eine Salamisorte von Monoprix und diente mir nur als Pseudonym. Weil er als englischer Text nicht in mein Œuvre paßte, gab ich vor, er sei nicht von mir. Doch ich, Will Future, habe ihn geschrieben.

Warum eigentlich englisch? werden andere fragen. Nun. Wie bei allen Texten hier, ist nur ein kleiner Kern Anlaß für viel Füllmaterial und der ist hier ein Wortspiel, das im Deutschen nicht funktioniert. Die Fiffikusse unter Ihnen haben es bereits bemerkt, den Zurückgebliebenen sei das Lautlesen der Dialogpassage mit dem bondmäßigen Bekleidungshersteller empfohlen, Anm. d. W.F.

Für die neue Edition habe ich mir erlaubt, eine kleine Änderung im Text vorzunehmen. Der- oder diejenige, der oder die sie findet, erhält ein exklusives Überraschungsgeschenk. Viel Erfolg!

Mittwoch, 17. August 2011

Ein Bäcker wie er im Buche steht

Thomas Schulze ist seit 25 Jahren im Geschäft
Biep – biepbiep – biiiep. Der Wecker reißt mich aus dem Schlaf und beendet die Nacht. Ich schlurfe ins Bad, mit nahezu geschlossenen Augen, man kennt ja den Weg. Vor lauter Müdigkeit verfalle ich in Zähneputztrance und putze immer weiter, bestimmt zehn Minuten, bis gar kein Schaum mehr da ist. Die Hose von gestern und das erstbeste Hemd geschnappt, beschließe ich, die Küche links liegen zu lassen und direkt zum Bäcker zu gehen. Die Straßen sind noch ziemlich lehr und nach dreivier Minuten Fußweg überquere ich den Lindenweg und bin schon da: Bäckerei Schulze. Die Tür ist verschlossen, drinnen brennt kein Licht. Ich schaue auf meine Armbanduhr, es ist kurz vor halb drei.

Als in der Ferne ein Kirchturm halb drei schlägt, den ich noch nie gehört habe, öffnet sich pünktlich der Nebeneingang der Bäckerei. Der Chef begrüßt mich freundlich: „Immer rein in die gute Stube!“ Er scheint deutlich wacher zu sein als ich, was allerdings auch kein Kunststück ist, wie er mir zu verstehen gibt: „Soll ich Ihnen einen Arzt rufen?“, zieht er mich auf. Er selbst ist seit zwei Stunden wach und schenkt uns jetzt Kaffee ein. In der Backstube läuft relativ laut Musik. Gute Musik. „Das ist ein großer Vorteil: Wenn ich mit der Arbeit beginne, sind die ganzen Idioten vom Frühstücksradio noch in der Heia.“

Bäcker Thomas Schulze steht seit seinem neunzehnten Lebensjahr in der Backstube auf der Carolastraße. „Nächstes Jahr haben wir Silberhochzeit“, sagt er und freut sich darüber, daß er damit nicht sich und seine Frau meint. „Nee, die kenn ich noch gar nicht so lange.“ Schulze hat die Bäckerei von seinem Vater übernommen, der sie in den siebziger Jahren gründete, als das Viertel noch ein lebendiges Nachtleben hatte. Oft seien da Nachtschwärmer in der Backstube gelandet und hätten sich die Finger verbrannt, weil sie die Brötchen direkt vom Blech weg essen wollten, erzählt der heutige Chef und man spürt die Nostalgie in seinen Worten.

Wir ziehen beide Schürzen an und schon steckt der Bäckermeister bis zu den Ellbogen in einer sehr großen Schüsseln mit Teig. „Das werden die Roggenbrötchen, da muß der Teig relativ lange ziehen. Deswegen mach ich die zuerst.“ Als nächstes geht es an den hellen Teig für die Doppelbrötchen und einfachen Semmeln – „unsere Topseller!“, schmunzelt Schulze. Er verkaufe mittlerweile sehr viel mehr dunkles Brot und Vollkornprodukt als früher, aber die Klassiker seien nach wie vor sehr gefragt.

Sehr gefragt sind in der Bäckerei auch die Kuchen des Chefs. „Ich backe da nix Weltbewegendes“, sagt er zwar, aber die Menschen im Viertel wissen genau, wo man ein vernünftiges Stück Zupfkuchen oder Erdbeertorte bekommt, wenn Oma mal zu Besuch ist. „Viele Leute nervt es, daß sie nur noch diese überall gleichen Backshops finden.“ Ein Ehepaar käme sogar vom anderen Ende der Stadt zu ihm, verrät Thomas Schulze ein wenig stolz. „Einige meiner Freunde hat es mittlerweile ins Ausland verschlagen. Aber wenn die Weihnachten mal da sind, kommen sie sofort hier her!“ Dann gebe es sogar manchmal noch Nächte mit partyartigen Zuständen in der Backstube, wie sie Thomas Schulze von den Erzählungen seines Vaters kennt.

„Vorsicht!“ Ich zucke zusammen, bin ich etwa weggedöst? Thomas Schulze lacht. Er zieht ein heißes Blech aus dem riesigen Ofen und trägt es an mir vorbei nebenan in den Ladenraum. „Ich wollte Sie nicht erschrecken“, versichert er mir. Seine Kollegin komme immer erst halb sechs und da habe er es sich angewöhnt mit der Stille in der Backstube einen Kampf auszutragen. Das Qualitätsradio sei da nur eine Möglichkeit. „Wissen Sie, zwischen zwei und vier liegt die Stadt in meiner Hand und ich schrei, ich schrei. Ich schrei so laut ich kann!“

Thomas Schulze brüllt gerade ein Blech Weißbrot an, als ich ihn frage, ob er nicht einsam sei, weil ihn sein Tagesrhythmus von vielen anderen abschirme. „Ich kann sehr gut Mitmenschen umgehen, das stimmt. Aber wissen Sie, die meisten davon sind doch eh bescheuert.“ In diesen Worten liegt keinerlei Emotion. „Das ist einfach so.“ In seinem unmittelbaren Umfeld allerdings fühle er sich sehr wohl. Er schlafe meist von Nachmittags um Vier oder um Fünf bis kurz nach Mitternacht. „Da kommt doch eh nix Gescheites im Fernsehen“, lacht er jetzt wieder.

Als Heidi Müller den Laden betritt, ist es schon eine Weile hell. Auch sie wirkt keineswegs müde oder gar morgenmufflich. Alle Handgriffe sitzen, Schulze und sie sind ein eingespieltes Team. Innerhalb von zehn Minuten sieht der Laden aus, wie ein Laden auszusehen hat. Es ist kurz vor halb sechs, Schulze gießt uns drei Tassen Kaffee ein, auch „weil die Kunden den Geruch erwarten.“ Zwei Männer im Blaumann warten schon vorm Schaufenster, die Kirchturmuhr, die ich jetzt seit drei Stunden kenne, schlägt. Die Tür öffnet sich. Biep – biep - biep. „Guten Morgen!“

Montag, 15. August 2011

Hy und Ai

Stadt ohne Gesichter

Sich blind durch die Stadt tastend
erahnt er mehr als er erblickt
konturlose, sich bewegende Flächen.
Einige scheinen nur ihre Farbe zu ändern,
andere gehen die Bürgersteige entlang.
Unterschiede kann er zwischen ihnen nicht ausmachen,
so kalt wie die einen sind auch die anderen.

Eine blonde Fläche schiebt sich ins Bild.
Er möchte zu gern etwas erahnen.
Doch ob sie ihn ansieht, kann er nicht erkennen.
Keine Augen, kein Mund, keine Nase.
Nur oben blond und dann ein weit ausgeschnittenes Grün.
Er versucht erneut, genauer zu schauen,
doch darauf fällt sie schon lang nicht mehr rein.

Er dreht sich nach ihr um und
die Fläche wird kleiner und kleiner.
Alle anderen interessieren ihn nicht.
Er wartet auf eine gelbe Fläche
und läßt sich von ihr nach Hause fahren.
Sie rattert vor sich hin zwischen grau und grau,
daß man das Grüne beinahe vergißt.

Freitag, 12. August 2011

Frühling, Scheiße, Herbst und Winter


Von wegen alles grau und keine Sonne, wär ja gelacht.

Seien wir ehrlich: es war nur eine Frage der Zeit.

Manch einer wird es noch gar nicht bemerkt haben: Will Future ist seit Neuestem weltberühmt. Deutschlands renommiertestes Monatsmagazin mit Sitz in Hamburg hat es sich nicht nehmen lassen, als erster medialer Globalplayer einen Text von Will Future zu zitieren und als „Herzerfrischend und vom [sic!] öden Statements ablenkend“ zu bezeichnen. Stark.

Hier der vollständige Artikel:

Die FIFA Fußball-WM der Frauen 2011 sollte ein „Sommermärchen“ werden. So hatten es sich zumindest die Marketingstrategen hübsch in Hinblick auf viel Kohle und zukünftig mehr weibliche Vereinsmitglieder ausgedacht. Und bis zum Viertelfinale glaubten auch alle an ein zweites deutsches „Sommermärchen“: Kaum einer schrieb ernsthaft über Lesben, gar über Schwule im Profifußballsport. Die Berichte über den Familienstand der Spielerinnen und Trainerinnen verstummten rasch: „Der Fußball ist ihre Lebensgefährtin!“, war der gemeinsame Tenor der Medien. „Unsere“ Mädels spielten prächtig. Die Strategie der Veranstalter schien aufzugehen, Homosexualität bloß keinen zu großen, dem real entsprechenden Stellenwert im Frauenfußball zu geben. Die Medien schrieben sich die Finger wund und leuchteten in „nie dagewesener Offenheit“ in den „letzten Winkel der Frauenkabinen“. Auch das ein oder andere „Sie liebt eine Frau“ kam dann doch zutage, das Wort lesbisch aber selten über JournalistInnenlippen. Noch im Dezember griff Welt Online ein Interview von Torhüterin Nadine Angerer auf und merkte an, „ dass sie sich nicht auf Männer oder Frauen festlegen will“. Na gut, „die Nummer eins der Welt“ (FAZ) ist eine Bisexuelle. Dafür hat ihre Stellvertreterin Ursula Holl ihre Lebensgefährtin letztes Jahr sogar geheiratet. Schön brav, na bravo! Nun lobte jede jeden und umgekehrt. Und wir alle lernten, was wirklich wichtig ist: „Die Trendfrisur heißt Pferdeschwanz“. Schöne heile Frauenfußball-Welt.
Kaum einer schrieb über Schwule im Männerfußball. Und Bundestrainerin Silvia Neid war plötzlich, eh man sich versah, die neue Mutter deutscher Nation. Selbst meine Mutter, auf dem Land lebend und bisher nie als fußballliebend aufgefallen, saß regelmäßig vor der Glotze und kommentierte zuletzt in einem Telefonat mit mir „die perfekt sitzenden Hosen von Frau Neid“, bei der man so gar keinen Slip sähe. Bitte was? Es ist zum Kotzen! Dafür habe ich nicht gekämpft! Wenn da mal bei meiner Mutter kein Neid im Spiel war…
Millionen mehr oder wenig sportlicher Sesselfurzer und Bierstammtische ewig gestriger Ultras von Helgoland bis Görlitz und von Köln bis Dresden hatten den Frauenfußball plötzlich lieb. Und damit Basta! Nach den ersten TV-Rekorden plante die ARD laut BILD-Zeitung gar, „Frauen-Fußball künftig in der Sportschau am Samstag zu zeigen“. Um das zu ermöglichen, „werde über eine Veränderung des Spielplans diskutiert“. Schöne neue Fernsehwelt.
Dann kam das jähe Aus: 16,95 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sahen im Fernsehen die „echt schockierende“ Niederlage der deutschen Fußballdamen gegen die Japanerinnen. Nur die Einschaltquote war WM-Rekord. Die FAZ kommentierte: „Athletinnen ohne Ideen.“ ...danach verwandelte sich die Elf zunehmend in ein Kollektiv an Athletinnen, das den Gegner zwar in dessen Ballbesitz zu bearbeiten verstand, im eigenen Ballbesitz das Spielgerät aber meist lediglich hoch und weit über ein Feld zu schlagen wusste.“ Ach ja? Unsere Nationalmannschaft war eher am enormen Erwartungsdruck von allen Seiten „gescheitert“ als an ihrer sportlichen Gesamtleistung. Apprupt geriet auch die Vermarktungsstrategie für den deutschen Frauenfußball ins Stocken. Dies ist wahrlich kein Ruhmensblatt, zumal die FIFA Fußball-WM der Frauen sowieso bei Werbung und Vermarktung Lichtjahre hinter der der Männer-WM lag. Ziemlich unsouverän reagierten fast alle: die Medien, der mächtige DFB, die noch mächtigere FIFA und die Bundestrainerin höchstpersönlich. Von einem auf den anderen Tag verfiel Deutschland fast wieder in alte, männlich dominierte Fußballzeiten zurück.
Wer hat überhaupt ein „Sommermärchen“ erwartet? So ein Schwachsinn! Die Verbände wollen – und das ist ersichtlich – raus aus der Lesbenecke, die sie sich durch Tabuisierung und Diskriminierung aber selbst geschaffen hat. Der DFB will alle Mädchen und Frauen für den Fußballsport gewinnen. Das sollte Mann dann aber bitte auch ehrlich sagen, auch wenn das zugegebenermaßen nicht ganz leicht ist, wenn man seit Jahrzehnten die Homosexualität im Fußballsport geradezu totgeschwiegen hat. Vor allem auf Seiten des Männerfußballs. Daher kam es auch allerorten zu entlarvenden Überreaktionen wie die beim Spiel Brasilien gegen Australien: Fans der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in Nordrhein-Westfalen war ihr Banner mit dem Slogan „Fußball ist alles, auch lesbisch“ vom Sicherheitsdienst weggenommen worden. Die Entschuldigung des Hausherrn nach öffentlicher Empörung folgte zwar prompt, auch der DFB beeilte sich umgehend zu betonen, dass es nicht an der inhaltlichen Botschaft lag. Doch es bleibt ein faler, ja bitter-böser Beigeschmack. Fast zeitgleich tönte die nigerianische Nationaltrainerin Eucharia Uche in der New York Times, „Homosexualität unter Frauen ist moralisch falsch und ein schmutziges Thema“. Sie betonte mit stolzer Brust, dass „in ihrem Team keine Lesbe kicken darf“. Im Hessischen Rundfunk reagierte FIFAFunktionärin Tatjana Haenni mehr als enttäuschend: „Wir werden darauf hinweisen, dass es schön wäre, wenn man sich neutral ausdrückt.“ Wie entlarvend. Zwei Fans des sozialen Netzwerks „Fußball gegen Homophobie“ brachten es auf Facebook auf den Punkt. Sabrina: „Geht gar nicht und tschüss – Ausschluss wäre angemessen gewesen, Menschenrechte sollten auch im Sport respektiert und geahndet werden – wohl aus gleichem Grund diese völlig inakzeptable Schiedsrichterinnen-Leistung, *BUUUHH*“. Carmen: „Hallo an ALLE die heute das Spiel Deutschland-Nigeria im Stadion schauen! Wie wärs mit einem Zettel, Plakat auf dem steht „STOP HOMOPHOBIA“ als kleinen „Gruss“ an die Nigerianische Trainerin / den Nigerianischen Fussballverband??“
Die Fußball-WM der Frauen war mit vielen lesbischen und schwulen Spielerinnen auf fast allen CSD- und Pride-Paraden in Deutschland präsent. Ex-Nationalspielerin Tanja Walther-Ahrens erhielt von DFBBoss Theo Zwanziger den Zivilcouragepreis des Berliner CSD. Das war ganz schön. Außerhalb Deutschlands kommentierte das kaum eine Zeitung oder ein TVSender. Auch in Deutschland wurden die Lesben im Fußball weiter versteckt. Ganz zu schweigen von den Schwulen. So lange Repräsentanten wie jüngst der Bundespräsident gutgemeinte, aber leichtfertig widersprüchliche Botschaften in die Welt posaunen (Christian Wulff in der Frankfurter Rundschau: „Sexualität ist Privatsache. In einigen Jahren werden wir Spieler haben, die ihre Homosexualität offen leben. Bei den Frauen ist das offenkundig der Fall.“), bleibt es ein einziger K(r)ampf. Das hatten wir doch schon mal, dass es „überhaupt niemanden etwas anginge, was in seinem Bett passiert“. Foul !!! Herzerfrischend und vom öden Statements ablenkend war dann doch diese fiktive Geschichte, die am 1. Juli von „Will Future“ via Blogger.com gepostet wurde: “…damit „das Projekt Frauenfußball“ nicht aus der Öffentlichkeit verschwindet, gestand Bundestrainerin Silvia „Johanna“ Löw nun: „Ja, es stimmt. Olivia Bierhoff und ich sind seit Jahren ein Paar!“ Sie seien sehr glücklich und überlegten sogar zu heiraten. Und auch über die Anfänge ihrer Beziehung wußte Löw zu berichten: „Ich wußte schon immer, daß ich Frauen liebe, aber für Olivia war das nicht immer klar. Als wir uns das erste Mal sahen, war sie ja noch mit Jürgen Klinsmann liiert!“ Die Journalisten staunten nicht schlecht über diese Enthüllung. In der Mannschaft hingegen sei die Beziehung zwischen Löw und Bierhoff schon länger ein offenes Geheimnis gewesen. „Die erotischen Blicke zwischen Frau Löw und Frau Bierhoff während der Spielvorbereitung oder im Entspannungsbecken waren doch nicht zu übersehen!“, so Kapitänin Michaela Ballack, die allerdings selbst auf Männer stehe, wie sie betonte: „Den Frings vom FC Toronto zum Beispiel finde ich total süß.“ (http://willfuture.blogspot.com/2011/07/bundestrainerin-liebt-eine-frau.html).
Spiegel Online zog eine andere, eben heterosexuelle WM-Bilanz: „Die WM war ein Erfolg, wie ihn der Frauenfußball noch nicht erlebt hat. Die Spiele haben das Publikum fasziniert, die mediale Anteilnahme war mehr als ein künstlicher Hype, neue Stars wurden geboren.“ Na dann bleibt mir wohl nur der artige Schlusssatz: „Meine große Anteilnahme, verehrtes japanisches Damen-Team. Es war ein fantastisches Finale, fulminant, eine Krönung. Ihre von der Atom- und Tsunami-Katastrophe gebeutelten Landsleute können stolz auf Sie sein. Wir alle gratulieren zum grandiosen Sieg.“ Der Frauenfußball hat sich in der Tat emanzipiert.
SCHWULISSIMO-Autor Jörg Litwinschuh ist Medienwissenschaftler und hat 2010 mit Tatjana Eggeling und Marcus Urban das sozialen Netzwerks Fußball gegen Homophobie gegründet:
www.fussball-gegen-homopobie.de (jl)