Donnerstag, 11. März 2010

Der Schaumelephant

Sie trägt heute schon wieder das weiße Frettchen um den Hals. Das mit den weißen Bändern untendran (Grüße an Herrn Haneke!). Heute kombiniert mit dem bekannten türkisenen Pullover.
Lady Macchiato schmeckt sehr gut.
Milchschaum ist die Pest des 21. Jahrhunderts.
Die eine Journalistiktussi hat tatsächlich eine graue Plüschfedermappe (als ob Federmappe nicht schon reichen würde) mit einem – Achtung, jetzt kommt’s – Plüschelephantenkopf dran.
Sind Plüschelephanten der Milchschaum unserer Zeit?

Schaumelephant. Mmmh. Klingt unheimlich gut. Groß, cremig, süß, eklig herrlich. Eine Lady Macchiato und einen Schaumelephanten bitte, junger Mann. Drei Mark Fünfzig, junge Frau. Hier. Wollen Sie fünfzig Pfennig dazu? Nö, danke, geht so. Den Elephanten to go? Nein, auf einen Teller, bitte. Dann können Sie sich setzen. Ich bringe Ihnen alles an den Platz. Gut, dann setze ich mich da hinten in die Ecke ans Fenster. D’accord. Bitte? Verzeihen Sie: das war Französisch. Ach so. Wuhlewukuschee awegtoa? oder wie das heißt. Ähem, so ähnlich. Was heißt denn das eigentlich? Ich komme gleich an Ihren Tisch und erkläre es Ihnen. Bis gleich. Bis gleich.

Voilà, ihr Heißgetränk begleitet von einem Elephanten aus Schaum. Wollen Sie mit mir schlafen? Ja gern, aber wie kommen Sie denn jetzt da drauf? Ähem. Also, eigentlich war das jetzt nur die Übersetzung von „Voulez-vous coucher avec moi?“ Sie sagten übrigens vorhin: Wollen Sie nicht mit sich schlafen? Hihi. Und? Wollen Sie? Weniger. Zumal Sie sich ja eben bereit erklärten, mich dabei zu unterstützen. Jetzt aber ab an die Arbeit, junger Mann!

Halt! Geben Sie sofort meine Hose wieder her! Ich meinte doch ihre wirkliche Arbeit: da stehen zwei Personen undefinierten Geschlechts an der Theke. Ach so. Drücken Sie sich doch gelegentlich präziser aus. Ich bin verwirrt.

Muß man sich seinen Schaumelephanten hier selbst zapfen? Entschuldigen Sie bitte, ich bin sofort bei Ihnen! Ich helfe der Dame nur noch in ihr Beinkleid. Danke. Geht schon. Da bin ich: Guten Tag. Guten Tag, einen Schaumelephanten bitte. Sehr gern, Vollmilch oder – ZARTBITTER! ich hasse Vollmilch! Wie Sie wollen. Sur place oder to go? Zartbitter, ich sagte es bereits. Ach so, und bevor Sie fragen: zum Mitnehmen bitte. Soll ich es als Geschenk einpacken? Das wäre extraordinaire, Monsieur. Ist es für eine Dame oder für einen Herrn. Es ist für mich. – Ist es für eine Dame oder für einen Herrn? Es ist für mich.- Also eine grüne Schleife!? Das wäre himmlisch. Ist der Himmel nicht eigentlich blau? Auch irgendwie wahr, aber grün ist schön. Na hören Sie mal, Sie sind ja ein Poet! Das stimmt [verlegen], jedoch nur zum Teil. Poet bin ich nur Montag bis Mittwoch. Und den Rest der Woche? Da bin ich verhindert, aber am Zwölften hätte ich Zeit. Gegen halb vier? Ja, das ginge, da habe ich meine Raucherpause. Treffen wir uns am Bahnhof!? D’accord. Gleis 7!? Sie werden mich an meinem Gesicht erkennen, wo Sie mich jetzt hier gesehen haben. Ja, das scheint mir ein gutes Zeichen zu sein. Ich werde eine Sonnenbrille tragen. Das tue ich immer am Zwölften, doch dies nur in Parenthese. Soll ich ein kleines Schildchen mit einem Gruß an Ihren Elephanten hängen? Na hören Sie mal, wir sind hier in einer Konditorei, Sie Ferkel! Oh, entschuldigen Sie, ich meinte das wörtlich. Ach so! Ja.. Dann schreiben Sie einfach meinen Namen drauf. „Von“ oder „für“? Hmmm. Gute Frage. Mir ist es gleich, wie Sie wollen. Ach wissen Sie, schreiben Sie einfach: „Zum Sterben zu schön“. Ja, das hör ich oft.. Tatsächlich!? Dann vielleicht… meine Telephonnummer! Ja, das ist was ganz Besonderes [verdreht die Augen, innerlich]. Na, dann lassen Sie mal hören! Also fünf drei sieben halt. Die Vorwahl zuerst: null null sieben null. Dann fünf drei sieben Doppel-vier – witzig! Wo wir uns doch halb Vier treffen! Im Gegensatz zur Doppel-vier! Also am Zwölften jetzt. Das gibt’s doch nicht! Raten Sie mal, womit die Nummer endet! Acht? Nein! Zwölf! Ist es Schicksal oder Stochastik!? Für einen Konditor haben Sie’s ja ganz schön drauf, ich hoffe, der Schaumelephant hält auch, was er verspricht. Fragen Sie doch die Dame da hinten am Fenster. Da ist niemand. Doch. [sich über den Tresen beugend] Oh, wahrscheinlich ist sie sich grad frischmachen. Ich sehe aber auch keinen Schaumelephanten auf ihrem Teller. Sehen Sie, schon verputzt! Was bekommen Sie von mir? Fünf Mark. Hier haben Sie neun. Und voilà: Ihr Geschenk. Ich bin schon ganz gespannt. Sieht aus wie ein verpackter winziger Elephant, würde ich sagen, guten Tag auch von meiner Seite. Guten Tag, was darf es denn für Sie sein? Nun, eigentlich wollte ich ja ein Stück Eierschecke. Sehr gern. Aber jetzt habe ich den Schaumelephanten solange angesehen und bin unsicher. Wir haben alle Zeit der Welt, gnädige Frau. Wissen Sie was, ich nehme ein Bier sur place und reflektiere noch ein wenig. Vom Faß? Wie immer.

Bitte sehr, ein großes Dunkles. Vielen Dank. Hätten Sie auch Zettel und Stift für mich? Ach, das hätte ich vielleicht den Dichter von eben fragen sollen. War das überhaupt ein Mann? Ich bin mir da nicht sicher. Ich auch nicht. Ach, deshalb die peinliche Pause vorhin. Meinen Sie, daß er oder sie das bemerkt hat? Ja, nun. Also ich bringe Ihnen Papier. Danke.

Bitte sehr. Gehen Sie jetzt auch unter die Schriftsteller? Neihein. Ich möchte eine Pro-contra-Liste Eierschecke vs. Schaumelephant machen. Haben Sie schon Kriterien für den Vergleich? Das habe ich gar nicht bedacht! Ich bin so unsystematisch. Das sagen auch meine Kinder immer. Gut: Farbe, Preis, Gewicht. Volumen. Zuckergehalt. Bauchgefühl. Kombinationsmöglichkeiten.. Also zu Schwarzbier passen beide nicht, so viel ist schon mal sicher. Sagen Sie, Sie wollen wohl gar nichts verkaufen!? Oh ja, Sie haben recht: beide passen hervorragend zu Bier! Dann bringen Sie doch gleich mal noch eins! Gerne.

Ah, Sie sind ja von der Toilette zurück. Na hören Sie mal, bestimmt schon seit zehn Minuten. Nein, mit Ihnen spreche ich doch gar nicht, junge Frau. Ich meinte unseren.. unsere.. unser Genie! Mich? Ja, wer ist denn von uns Vieren hier das Genie? Na gut, wenn ich mich hier so umsehe – verzeihen Sie – bin das wohl ich. Prost! [Glas erhebend] Für mich bitte noch einen Tee. Mit Milch? Nein. Gut.

Ach so! Die Sorte!? Ja, Sie haben recht. Pfefferminze bitte. Gerne. Für Sie noch etwas? Ja. Eierschecke hat elf zu zwölf gegen den Schaumelephanten gewonnen. Beachtlich. Bekommen Sie. Vielleicht noch ein Bier? Nein, ich habe noch. Aber einen Tee nehme ich auch noch. Pfefferminze? Thüringer Kräutermischung! Ausgezeichnete Wahl. Ich weiß.
(01 / 02 / 2010)

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